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Reisen durch Schottland: Teil 2


Nessi for ever



Ein Besuch von Loch Ness und dem Museum in Drumnadrochit

Einer der berühmtesten deutschen Schottland-Reisenden, Theodor Fontane, erkannte schon vor mehr als 150 Jahren in seinem Reiseführer „Jenseits des Tweed“ eine Unsitte der Touristen. Wie überall so auch in Schottland, so führte Fontane aus, werde dem Reisenden eine bestimmte Reise-Route oder Reihenfolge von Sehenswürdigkeiten aufgedrängt und so könnte der Reisende leicht um den höchsten Reiz des Reisens gebracht werden, um das Besondere, das Verborgene, das Unalltägliche gesehen zu haben. Eine kleine Schönheit ist uns lieber wie die große und allgemeine. So richtig und zeitlos die Erkenntnis des Altmeisters der Reiseschriftstellerei bleibt, so gibt es in Schottland mindestens eine Ausnahme, in der das Besondere und Verborgene, das Unalltägliche und Große vereint ist. Es ist der Besuch beim berühmtesten Ungeheuer der Welt, das in den Tiefen des Loch Ness wohnen soll.


Loch Ness - berühmt für sein Geheimnis


Geheimnis oder Spaß ?

Der bevorzugte Weg zum Loch Ness führt über die ungekrönte Hauptstadt der Highlands Inverness im Norden der Britischen Insel. Die Stadt ist Ausgangspunkt für Ausflüge und Wanderungen in die Einsamkeit und zu dem lang gestreckten See, der bis zur Stadtgrenze reicht. Direkt dran am Loch Ness liegt der kleine Ort Drumnadrochit, der heute hauptsächlich von Übernachtungen und Souvenir-Shops mit überhöhten Preisen lebt und zuallererst von der Überlieferung der besonderer Art.

Loch Ness ist mit 36 Kilometer Länge, knapp 2 Kilometer Breite und einer extremen Tiefe bis zu 300 Meter einer der größten und tiefsten Seen von Schottland. Sein Name steht für ein großes Geheimnis oder für einen großen Spaß, je nach persönlicher Sicht. Der See soll die Heimat von (einem) ungeheuerlichen Lebewesen sein. Obwohl die Geschichte seit mehr als hundert Jahren kursiert, ist sie noch lebendig, so das 1999 ein völlig neu gestaltetes Museum in Drumnadrochit eröffnet wurde.

Nessi kann kein Reptil sein

Das Museum umfasst sechs große Ausstellungsräume, die sich sehr differenziert und durchaus wissenschaftlich seriös mit dem Phänomen Loch Ness auseinander setzen. Existiert da etwas in der Unterwasserwelt?
Zunächst sind die Historiker am Zuge. Denn die erste Erwähnung eines Seeungeheuers stammt aus dem 6. Jahrhundert n. Chr. Da rettete ein heiliger Abt einen seiner Kirchgänger, in dem er couragiert mit dem Schlagen des Kreuzes das Ungeheuer in die Flucht schlug.

Auch Geologen und Paläontologen kommen zu Wort. Die für manchen Zeitgenossen so populäre Vorstellung, die Monster sind übrig gebliebene prähistorische Reptilien, platzt leider wie eine Seifenblase. Denn der See wurde erst „kürzlich“ vor zwölftausend Jahren von Gletschern der Eiszeit total ausgeschürft. Amphibien und Reptilien waren immer Süßwassertiere und konnten damit nicht nach der Eiszeit aus dem Meer gekommen sein.

Foto-Sammlungen von Nessi

Aber die Ausmaße vom Loch Ness sind so gigantisch, dass sie genügend Platz für ein paar Geheimnisse bieten. Und die werden ständig gefüttert durch eine Vielzahl von überlieferten Sichtungen und Beobachtungen. Dutzende ja hunderte von ehrenwerten Personen des öffentlichen Lebens beschworen im Laufe der Jahrzehnte, dass sie etwas deutlich gesehen haben: ein Meeresreptil, einen kleinen Saurier, einen großen Fisch - ein Tier. Können sie sich alle irren oder uns belügen? Sogar Fotos wurden bekannt, von denen die allermeisten als Fälschungen entlarvt wurden… aber nicht alle!

Suche mit Unterseebooten und Schallwellen

Vor etwa 50 Jahren brach dann die große Zeit der Experimental-Forscher an. Biologen und Physiker begaben sich mit festgezurrten Kameras und Unterseebooten in die Tiefen des Sees. Sie untersuchten Ernährungsketten und mussten leider feststellen, dass es von Fischen, der einzigen Nahrung der Monster, zu wenig im See gibt. Auch spätere intensive Ultraschall-Untersuchungen, in denen akribisch Schallwellen-Vorhänge über den See gezogen wurden, führten zu keiner endgütigen Lösung des Rätsels. Viele Unterwasserbilder ließen sich erklären, z.B. durch das Hin und Her Fließen wärmerer Wassermassen im See. Aber nicht alle Echos der Schallwellen konnten ausreichend gedeutet werden.

Interesse am Loch Ness ungebrochen

Die Wissenschaftler konnten gerade in den letzten Jahrzehnten viele optische Täuschungen aufdecken, Unterwasser-Spiegelungen aufklären und bis zu drei Meter lang gewachsene Störe als mögliche Besucher im See identifizieren. Doch selbst die moderne Wissenschaft kann scheinbar der Legende vom Ungeheuer im See nicht den Garaus machen. Ein Grund dafür ist sicher der boomende Tourismus. Das Interesse der Touristen an den Geheimnissen im Loch Ness ist ungebrochen, ja sogar ansteigend. Scheinbar besonders angesprochen fühlen sich die Reiseweltmeister aus Deutschland. In 16 Sprachen werden Informationsblätter verteilt, aber neben englisch wird zusätzlich nur in einer Sprache eine Broschüre angeboten und gut verkauft - in Deutsch.


Nessi`s Monster Mash

Nur wenige Kilometer vom Museum entfernt befindet sich am Loch Ness ein weiterer nicht minder viel besuchter Ort: das Urquhart Castle.


Urquhart Castle am Loch Ness - Urquhart Castle


Eigentlich sind auf der Landzunge nur noch die Ruinen dieser Burg zu besichtigen, die bei einer Belagerung durch die Jacobiter von den Verteidigern selbst in die Luft gesprengt und nie wieder komplett aufgebaut wurde. Immerhin existieren derzeit ein begehbarer Turm und eine Reihe von Mauern. Hier ist auch ein Haltepunkt auf einer einstündigen Schiffsfahrt auf dem Loch Ness. An Bord wird den Reisenden am Getränke-Ausschank die Loch-Ness-Legende verkauft. Nessis`s monster Mash - a malty chestnut beer.


Nessi in den Wellen? - Die Schönheit von Loch Ness - Nessies`s monster Mash


Die Sonne erobert den Himmel und verbreitet sommerliche Wärme. Zusammen mit den anderen Fahrgästen sitze ich auf den Bänken vom Oberdeck und trinke das dunkle schottische Bier. Ein leichter Wind streicht über den See. Die Wellen des Dampfers rollen langsam in Richtung der Ufer. Ich schaue einmal, ich schaue zweimal. Das ist doch nicht möglich. Etwa hundert Meter vom Schiff entfernt, in den Wellen scheint sich etwas zu bewegen. Ist es ein Reh, das über den See schwimmt, wie es mitunter vorkommen soll, oder ein großer Fisch oder ein Stück Treibholz? Vielleicht habe ich zu wenig Bier getrunken, um es ganz klar zu erkennen. Prost Nessi!


Text und Fotos: Ronald Keusch, September 2013
Anmerkung: Klicken Sie zur Vergrößerung aller Fotos im Beitrag auf selbige.


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