Reisen durch Schottland: Teil 1
Das Wasser des Lebens
Auf den Spuren vom schottischen Whisky-Trial
Es gibt nur zwei Regeln für das Trinken von Whisky: Erstens, trinke nie Whisky ohne Wasser. Und zweites, trinke niemals Wasser ohne Whisky. Man muss dem Leben immer um mindestens einen Whisky voraus sein. Humphrey Bogart
Strathisla Destillerie in Keith
Es ist wohl weltweit einmalig, dass ein Land seine Besucher wie auch die Bewohner zu hochprozentigen Alkoholrundfahrten in seine Whisky-Brennereien einlädt. Doch der Whisky ist in Schottland viel mehr als nur ein wohlschmeckendes Getränk und absoluter Exportschlager. Whisky, das ist mythische Geschichte dieses Landes, ist eine Wissenschaft und ein Stück Lebensart und -kultur der Schotten.
Wer sich also mit dem schottischen Nationalgetränk beschäftigt, befasst sich genüsslich mit der Landeskunde. Und es ist weder ein Zufall, noch eine Marketingidee, dass dem Land nachgesagt wird, den berühmtesten Whisky der Welt zu produzieren. Denn dafür gibt es in ganz Schottland einen fruchtbaren Boden. Hier wird reichlich Gerste angebaut und in großen Mengen der wertvolle Torf gewonnen, der zum Räuchern des Gerstenmalzes unabdingbar ist. Und nicht zuletzt verfügt Schottland über unzählige Quellen und Flüsse, die das Wasser für die Destillation des Getreides liefern.
Whisky-Hochburg um Dufftown
Zur Hauptstadt der rund einhundert Destillerien in Schottland, die mehr als 2000 verschiedene Marken produzieren, hat sich der kleine Ort Dufftown berufen. Denn hier in der Speyside siedelten sich ein knappes Dutzend der traditionellen Whisky-Brenner an.
Auf dem Weg in den Nordosten des Landes passiert der Besucher viele kleine Dörfer, deren Namen oft wie Whiskymarken klingen und manchmal ist sogar eine dabei. Nach einer Autostunde von Aberdeen erreiche ich den Ort Keith mit der Strathisla-Destillerie. Sie nimmt in Anspruch, mit der Gründung 1786 die älteste Destille in Schottland zu sein. Für sechs Pfund können die Besucher mit James von der Brennerei einen Rundgang machen.
James absolviert mit den Touristen einen Kurzlehrgang für der Herstellung von Whisky. Es sei alles ganz einfach, man braucht nur drei Elemente: gemalzte Gerste, Hefe und ordentliches Quellwasser. Der alkoholische Höhepunkt der Führung besteht dann in der Verkostung. Die Nasen der Besucher sind durch den Alkoholgeruch in den Produktionshallen und im Lager der Whiskyfässer bereits hinreichend vorbereitet. Es werden immerhin drei Drinks kredenzt, je ein blended Whisky, der 12 und der 15 Jahre lagerte sowie ein Singl-Malt.
Suche nach der Stimulans
Viele Destillen in Schottland besitzen eine jahrhundertealte Tradition, doch die Eigentümer wechseln bei vielen Brennereien mehrmals. Die Strathisla-Destillerie ist jetzt bei Chivas Brothers Pernod Ricard gelandet, wie mir Boa Andersson (siehe im Bild links) verrät. Der Schwede ist hier Chef des Besucher-Centers. Er lebt schon seit 20 Jahren in Schottland und hat sich zum ausgewiesenen Whiskykenner entwickelt. Irgendwelche Geheimnisse über die Rezepturen in den verschiedenen Destillen existieren nicht, alles ist offen zugänglich, so Anderssons Erfahrung. Die Gründe für die Unterschiede im Geschmack zwischen den einzelnen Marken seien sehr komplex, haben auch etwas mit Traditionen zu tun. Das wichtigste für den erfolgreichen Whisky-Brenner sei die Suche nach neuen Märkten.
Bei den Besucherzahlen vor Ort wie auch bei den Verkaufs-Bilanzen liegen die Skandinavier und die Deutschen einsam in Führung. Als Vertreiber von Chivas-Whisky ist ein Motto von Boa Andersson, dass alle nur in Maßen trinken sollen und am besten nur hohe Qualität, mindestens einen Chivas Regal 18. Und wollen die Menschen künftig nicht eher gesünder leben und deshalb statt Alkohol eher Wasser und Milch trinken? Das sieht Andersson erwartungsgemäß nicht so. „ Auch künftig suchen wir alle nach einer Stimulans, das ist ein Teil unserer Existenz. So ist das Leben - aber wirklich.“
Glen Grant - Whisky-Hauptstadt Dufftown - Garten der Glen Grant Destille
Whisky in italienischen Farben
Die nächste Destille Glen Grant, bereits 1840 gegründet, liegt am Rande des kleinen Ort Rothes. Am Eingangstor zur Brennerei ist die italienische Flagge aufgezogen. Hier hat sich im Jahr 2006 die Gruppe Campari eingekauft. Seitdem ist die Whisky-Sorte Grant die Nummer eins in Italien und in der Whisky-Destille gibt es ein kleines Cafe mit hervorragendem Espresso.
Die Gründerfamilie richtete auf ihrem Gelände einen großen blühenden Garten ein mit Pflanzen aus Asien und Amerika. Zum „Probetrinken“ nach der Führung durch die Destille steht für die Besucher jeweils eine Flasche Grant auf dem Tisch und jeder kann sich einschenken, soviel er will. Die Whisky-Hersteller kennen ihr Besuchspublikum. Die allerwenigsten haben sich mehr als einen kleinen Schluck gegönnt.
Platzhirsch Glenfiddich
Letzte Station ist die Whisky-Hauptstadt selbst, der kleine verschlafene Ort Dufftown. Hier sind insgesamt sieben Destillen in Betrieb. Darunter befindet sich das riesige 500 Hektar große Gelände von Glenfiddich, im gälischen steht das Wort für Tal der Hirsche. Das Tier prangt bekanntermaßen als Marke auf jeder Flasche und ist unangefochten der Platzhirsch unter den Whiskyherstellern im ganzen Land.
In fünfter Generation wird das Familienunternehmen geführt und konnte sich bisher seine Unabhängigkeit vor internationalem Zugriff bewahren. Ein Grund dafür ist seine Kreativität. Es setzte als erste Whisky-Brennerei bereits vor mehr als 100 Jahren auf den Export und erfand die Kategorie Single Malt für die Werbung. Als Vorreiter präsentierte sich der Familienbetrieb erstmals vor 50 Jahren der Öffentlichkeit. Sie holten sich die Besucher aus nah und fern in ihre Destille zum Rundgang zwischen Gärbottich und Brennblasen.
Das Weltunternehmen Glenfiddich weist eine jährliche Kapazität von zehn Millionen Liter Whisky aus. Hier kann der Besucher im Unterschied zu den anderen Destillen nach dem Rundgang auf Kosten des Hauses drei Sorten Whisky schlürfen. Ich bekam einen Whisky mit 12 Jahren Lagerung und dem Geschmack nach Eiche und Birne, einen mit 15 Jahren Lagerung und dem Geschmack nach Honig und Rosinen und schließlich 18 Jahre Lagerung, der nach Apfel und Zimt schmeckt. Alles ein Trink-Erlebnis.
Destillerie Glenfiddich - Dalmore Destillerie
Mehr Alkoholgehalt auf der Regeninsel
Doch es gibt nicht nur Dufftown - ganz Schottland ist Whisky-Land. Nördlich von Inverness befindet sich mitten in einem Gerstenanbaugebiet die Dalmore-Destille, in der seit 1839 Whisky hergestellt wird. Von hier blickt man auf eine Meerenge, von der seit einigen Jahren ein anderer kostbarer Saft gefördert wird, Erdöl mit Bohrtürmen aus dem Meer.
Plakat in Glasgow - Whisky-Produktion - Isle of Sky - Talisker Whisky - People`s Palace in Glasgow
Auf der Isle of Skye befindet sich nahe dem Dorf Carbost die bekannte Talisker-Destillerie. Die Gründer stammen von den Wikingern ab. Auf Informationstafeln im Empfangsraum der Destillerie wird berichtet, dass es auf der Insel die Hälfte des Jahres regen soll. Talisker Whisky hat einen unverkennbar rauchigen Geschmack, da die Gerste über torffeuergeröstet wird. Im Vergleich zu anderen Whisky-Sorten mit 40 bis 43 Prozent hat der Talisker Whisky mit 45,8 Prozent etwas mehr Alkoholgehalt. Warum das so ist, beantworten die PR-Leute von Talisker launig so: Weil es besser schmeckt. Vielleicht aber hat der höhere Alkoholgehalt auch mit dem regnerischen nassen Wetter zu tun.
Der Anteil für die Engel
Weiter im Norden der Schottischen Highlands erreicht man bei dem kleinen Ort Tain die bekannte Glenmorangie-Destillerie. Hier wurde auf dem Gelände eines Bauernhofes, wo die Tarlogie-Quelle sprudelt, die Brauerei errichtet. Sie gehört zu den insgesamt 90 Malt-Destillerien in Schottland, die sich auch international einen Namen gemacht hat.
Bei einem Rundgang erfährt der Besucher in den verschiedenen Destillen auch immer wieder etwas Neues aus der schier unendlichen Geschichte der Whisky-Produktion. So entweicht jedes Jahr in Schottland aus den eingelagerten Fässern etwa zwei Prozent Whisky. Dieses Phänomen wird Angel`s Share genannt, der Anteil für die Engel. In früheren Zeiten noch als Hexenwerk angesehen, ist heute eine plausible Erklärung gefunden, die auf die Struktur des Holzes der Fässer zurück zu führen ist. Diese kleine Menge von nur zwei Prozent soll im Jahr etwa der Menge von 100 Millionen Flaschen Whisky entsprechen. Welche Verschwendung oder auch welche Entlastung für die Leber - wenn richtig gerechnet worden ist.
Ein Plakat im People`s Palace in Glasgow
Bei einer Rundfahrt durch Schottland müssen unbedingt die größte Metropole des Landes Glasgow und eine ihrer attraktiven Adressen auf dem Programm stehen - der People`s Palace. Hier befindet sich nicht nur ein traumhaft schöner, bezaubernder Wintergarten mit tropischen Pflanzen, sondern hier ist auch das sozialhistorische Museum der Stadt eingerichtet.
In sehr souveräner und origineller, politisch engagierter Weise werden vom Jahr 1750 bis heute Geschichte und Geschichten der Schotten erzählt. Ein Thema ist der Alkoholismus als Volkskrankheit unter der damaligen Arbeiterschaft Glasgows. In einer Kampagne von Alkoholgegnern vor hundert Jahren wurde auch auf einem Plakat der bedeutungsschwere Satz geschrieben:“ Glenfiddich is the ruination of Scotland“. Es ist glücklicherweise anders gekommen, wie wir heute wissen.
Und sollte man nun den schottischen Whisky an der Quelle in Schottland kaufen? Die Alkoholsteuer in Großbritannien ist höher als in Deutschland. Es ist deshalb ratsam, mit dem Kauf von Whisky zu warten, bis man wieder zu Hause ist und die originalen Abfüllungen im Regal stehen.
Text und Fotos: Ronald Keusch, September 2013
Anmerkung: Klicken Sie zur Vergrößerung aller Fotos im Beitrag auf selbige.
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