Region im Wandel der Zeiten: Teil 1
Das Saarland bietet den Touristen viel Flair und einige Entdeckungen
Eine der schönsten Regionen mit wechselvoller spannender Geschichte mitten in Europa öffnet sich mehr und mehr für den Tourismus - das Saarland. Es hat weniger als ein Drittel der Bevölkerungszahl von Berlin und dafür einen der größten Waldbestände in Deutschland.
Blick auf die Stadt Saarbrücken
In der Vergangenheit ein Objekt der Begierde durch seine Kohle und Eisenerzvorkommen, ist es dabei, einen Wandel zu vollziehen. Das Image von einer staubigen und rostigen Industrielandschaft ist längst abgelegt, dafür ist das Genießen von alten und neuen Kulturlandschaften angesagt.
Residenz im Barock-Stil
Ein guter Start für eine Entdeckungsreise im Saarland ist der Stadtrundgang durch Saarbrücken. Und noch besser ist es, wenn man von einem Stadtführer wie Peter Mögling begleitet wird. Mit seiner Pensionierung, nach 45 Jahren Arbeit im öffentlichen Dienst sei er, so Mögling mit Augenzwinkern, gut ausgeruht, führt er seit zehn Jahren Besucher durch sein Saarbrücken.
Natürlich steht der Architekt im Mittelpunkt, der hier im 18. Jahrhundert lebte und das Stadtbild durch seine Barock-Bauten prägte - Friedrich-Joachim Stengel. Im Auftrag der Saarbrücker Fürsten errichtete er eine repräsentative Residenz mit Kirchen, Marktplatz und großem Schloss, aber auch einer Reihe von Häusern im Barock-Stil. Trotz großer Zerstörungen durch Fliegerbomben gegen Ende des zweiten Weltkrieges blieb einiges erhalten, anderes wie das Schloss mit einem postmodernen Mittelbau (im Bild links) ist vor 30 Jahren neu erstanden.
Peter Mögling führt mich in die Ludwigskirche (im Bild links), das Alterswerk und Prunkstück des Baumeisters Stengel, die neben der Frauenkirche in Dresden zu den bedeutendsten Kirchenbauten des Barocks in Deutschland zählt. Auffällig ist im Kircheninnern die dominierende Farbe weiß und die ausgesprochen hohen hellen Fester. „Wo Gott ist, ist das Licht“, so lautete die Vorgabe der Nassauer Fürsten, die Stengel konsequent umsetzte. Allerdings seien nicht alle weißen historischen Gebäude der Stadt, wie manche Saarbrücker und Besucher glauben, tatsächlich von Stengel, meint Stadtführer Mögling. Leider seien viele seiner Bauten, die er im Zeitraum von fast 40 Jahren schuf, für immer verloren.
Lebensregel: Hauptsach gudd gess
Nahezu unzerstört blieb das neugotische St. Johanner Rathaus. Hier befindet sich ein prächtig eingerichteter Festsaal „die Gute Stube der Saarbrücker“, in dem etwa tausend Mal im Jahr geheiratet wird. Auf einem großen Mosaikfenster ist die Göttin der Zünfte der Stadt abgebildet, die etwas melancholisch in den Festsaal schaut. Dagegen gleich nebenan auf dem St. Johanner Markt, umgeben von Barocken Bürgerhäusern, mit unzähligen kleinen Läden, Cafes und Bistros ist dieses Flair des Südens zu finden.
Hier werden auch Grundsatz wie zugleich Lebensregel des Saarlands. „Hauptsach, gudd gess“ kulinarisch bekräftigt in solchen traditionellen Restaurants wie „Zum Stiefel“, im Gasthaus „Zum Zahm“ oder „Zur Schlemmerie“ im Hotel Mercure. Auch an die französischen Gäste ist gedacht. In der Fröschensgasse auf der Speisekarte im Restaurant „Toscana“ natürlich Froschschenkel.
Acht mal wechselte Staatszugehörigkeit
„Es gibt Tage in Saarbrücken, da denkt man, wir sind in Frankreich“, erzählt Peter Mögling. Doch es sei nicht so, dass die Saarbrücker französisch sprechen, sondern es besuchen viele Franzosen die Stadt.
Das Saarland blickt auf eine bewegte Geschichte zurück. In den letzten 200 Jahren wechselte insgesamt acht Mal die Staatszugehörigkeit. Nach dem 2. Weltkrieg existierte das Saarland für zehn Jahre als eine Art deutsch-französischer Zwitter, mit deutschen Ministerpräsidenten und französischem Hochkommissar, Frankenwährung und eigenen Briefmarken. „Wir Saarländer nahmen mit eigener Mannschaft an den Olympischen Spielen 1952 in Helsinki teil sowie an der Fußballweltmeisterschaft 1954 in der Schweiz“, kommt Peter Mögling ins Plaudern. „Und hätten wir Deutschland in den Gruppenspielen nicht 3 : 1 gewinnen lassen, wäre Deutschland nicht Fußball-Weltmeister geworden“, erklärt er mit ernster Stimme, vergisst aber nicht, dazu wieder mit den Augen zu zwinkern. Schließlich wurde damals die Saarfrage in einer Volksabstimmung so gelöst, dass das Saarland am 1. Januar 1957 Bundesrepublik Deutschland wurde. Im Sommer 1959 besiegelte die Einführung der D-Mark den wirtschaftlichen Zusammenschluss.
Nur wenige hundert Meter vom St. Johanner Markt entfernt, immer die Mainzer Straße entlang, ist der Besucher schnell am Ufer der Saar. Hier trägt die Brücke noch den Namen des preußischen Kanzlers Bismarck, denn das Saargebiet war vor mehr als hundert Jahren noch Industrieprovinz von Preußen. Im Sommer sind die Uferwiesen der Saar bevölkert von vielen jungen Leuten. Der große Freiluft-Biergarten nennt sich Ulanen-Pavillon und in den angrenzenden Ausflugslokalen wird kein bayrischen Weizenbier wie im preußischen Berlin, sondern eines der vielen selbstgebrauten Weizenbiere wie das Walsheimer getrunken.
Bundesland der kurzen Wege
Das Saarland gilt als Land der kurzen Wege. Es streckt sich nur knapp 100 Kilometer von West nach Ost und 60 Kilometer von Süden in den Norden. Nach nur einer halben Stunde Fahrt auf der Autobahn von Saarbrücken entfernt erreicht man im Norden (vom Saarland) den Bostalsee (links im Bild).
Der Stausee wurde vor 30 Jahren in einer Senke errichtet und kann sich dank seiner Größe von 120 Hektar mit dem Titel, größter Freizeitsee im Südwestdeutschen Raum schmücken. Er liegt in der hügeligen abwechslungsreichen Landschaft des Naturparks Saar Hunsrück und avancierte für die Saarländer zu einem beliebten Ausflugsort. Am See ohne Motorboote mit sieben Kilometer langen Wander- und Radwegen ist ruhige Ferienstimmung zu finden. Hierher will das Saarland Touristen anlocken. Direkt am Ufer wurde im Sommer dieses Jahres eine Siedlung mit 500 Ferienhäusern eröffnet und erwartet die Besucher.
Aus Benediktiner-Abtei zur Weltfirma
Wenn der Wandel des Saarlands über Jahrzehnte weg vom Staub und Feuer der Berg- und Hüttenwerke hin zu Eleganz, Genuss, Lebensfreude beschrieben wird, steht ein Markenname als Ausnahmeerscheinung, der schon immer Glanz verbreitete: Villeroy & Boch. Während viele die Weltmarke kennen, wissen nur wenige, dass diese Keramik- und Porzellanfirma im 19.Jahrhundert ihren internationalen Aufstieg im Saarland bei Mettlach begann.
Im Jahr 1809 wurde durch die Familie Boch eine ehemalige Benediktiner-Abtei gekauft, direkt an der Saar gelegen und aus einer Töpferwerkstatt wuchsen eine kaiserlich königliche Manufaktur und schließlich eine Fabrik. Hier befindet sich noch heute die rund um den Globus agierende Konzernzentrale und für die Touristen ein liebevoll und originell eingerichtetes Museum (oben im Bild).
Im Trend mit vielen Innovationen
Ein Rundgang mit Hans Joachim Rauch, der vierzig Jahre im Unternehmen arbeitet, zeigt nicht nur die Faszination von edlem Tafelgeschirr, eleganten Badewannen und exquisiten Fliesen. Das Unternehmen Villeroy & Boch habe in seiner Geschichte immer auf Qualität und Trends gesetzt und dafür technisches Neuland beschritten, so Rauch.
„Wir haben mit den neuen Tunnelöfen die Technologie revolutioniert und in jüngster Zeit reinigungsfreundliche Oberflächen bei Sanitärkeramik geschaffen und statt Gipsformen Druckgussverfahren entwickelt.“ Letzteres schuf die Voraussetzung, um mit asymmetrischem Geschirr, weder eckig noch rund, sondern geschwungen, einen neuen Trend zu setzen und der Konkurrenz aus China Paroli zu bieten.
In enger Zusammenarbeit mit Maschinenbauern wurde die Herstellung der Tasse samt Henkel (der bei der klassischen Tassenherstellung angeklebt werden muss) in zwei Minuten in eine Form gebracht und es gab auch die Möglichkeit, bis zu fünf unterschiedliche Farben einzusetzen. Im Jahr 2000 gab es dafür den Preis der deutschen Industrie. Villeroy & Boch vollzieht in seinem Bereich den Wandel, dem sich scheinbar das ganze Land verschrieben hat: Traditionen bewahren und darauf aufbauend Neues ausprobieren.
Am Ende des Rundgangs durch die keramischen Wunderwelten erwartet den Besucher ein besonderer Augenschmaus: Das Museums-Cafe. Es ist mit 15.000 kunstvoll bemalten Fliesen im Jugendstil ausstaffiert, nachempfunden dem Milchladen der Molkerei Pfund in Dresden, die sich mit den handgemalten Fliesen von Villeroy und Boch vor 15 Jahren im Guinness Buch der Rekorde verewigte.
Wie bei den alten Römern
Ganz tief in die Geschichte des Saarlandes begibt man sich nur wenige Kilometer von Villeroy und Boch entfernt. Hier befindet sich ganz versteckt liegend das Örtchen Merzig. Im Jahr 200 nach Christus in der Blütezeit des römischen Reiches existierte hier ein römischer Bauernhof mit einer Villenanlage.
Die römische Villa Borg
Heute präsentiert sich den Touristen eine beeindruckendes Museum mit rekonstruierten Herrenhaus, Bädern und Gärten und dem Versprechen: Wir wissen alles über die Römer aus Schriften und durch Funde bei ausgiebigen Grabungen. Etwa dreihundert Sklaven waren damals damit beschäftigt, eine reiche römische Familie zu versorgen und zugleich kunstvoll Mosaike und Flachglas herzustellen. Im Frühjahr werden in der antiken Küche Backtage veranstaltet. Dann kann der Besucher die im Steinofen gebackenen Brote versehen mit Gewürzen, Kräutern und Honig nach Römer Art kaufen.
Die legendäre Saarschleife
Auch die Römer zog es damals an die Saar, um die Schätze Kohle und Eisenerze aus der Erde zu holen. Ob die Eroberer sich einen ausgiebigen Blick auf das heutige Wahrzeichen des Saarlandes gönnten, die Saarschleife bei Mettlach, das ist in den Schriften nicht überliefert. Der heutige Besucher sollte ihn auf keinen Fall verpassen. Es ist schon ein imposanter Anblick, wenn die Saar nicht den geraden Weg zur Mosel sucht, sondern schwungvoll einen Bogen um einen Berg schlägt.
Text und Fotos: Ronald Keusch, Juli 2013
Anmerkung: Klicken Sie zur Vergrößerung aller Fotos im Beitrag auf selbige.
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