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Zermatt, Matterhorn und der langsamste Schnellzug der Welt
Der Schweizer liebt seine Eisenbahn, weil sie sehr gut funktioniert und viel mehr im Einklang mit der Landschaft steht als das Auto. Auch die Touristen aus dem In- und Ausland haben längst die Alpen-Bahnen des Landes entdeckt, um den faszinierenden Schweizer Berglandschaften nahe zu kommen.
Matterhorn - Berg der Berge
Ein Ausgangspunkt für Eisenbahn-Touren ist der Walliser Ort Zermatt, der auch, wie kann es anders sein, von Zürich mit der Schweizer Bundesbahn bequem erreichbar ist. In dem weltberühmten Ferienort dreht sich (fast) alles um den „Berg der Berge“, das 4478 Meter hohe Matterhorn.
Seine markante Silhouette avancierte mittlerweile zu einer Marke für alle Kantone des Landes. Von vielen Plätzen in Zermatt ist das überragende Matterhorn zu schauen, ob von den obersten Stufen der Kirche des Ortes, von der Terrasse das Luxus-Hotels „The Omnia“, das in 40 Meter Höhe in eine Felswand geschlagen ist oder beim Wandern auf dem Matterhornweg selbst.
Gleich am Anfang dieses Wanderweges ist auf einem Gedenkstein ein Gedicht von Charles Stünzi zu lesen:
Matterhorn, majästetisch ragst du, Berg, himmelan, windumsaust,
Whymper erklommen, ruhmgeplagt im Ebenmass ruhst du, voll Stolz,
rundum das Getue verachtend, Sei in Demut gegrüßt und mit Staunen
Übrigens taucht der Name Whymper im Ort Zermatt an der Fensterfront einer traditionellen Schweizer Gaststätte auf. Ein Vorfahre der berühmten Bergsteigerfamilie Whymper gehörte als erster Schweizer zu einer Gruppe Bergsteigern, die den Gipfel vom Matterhorn bezwungen haben.
Mit der Zahnrad-Bahn zum Gornergrat
Für die Alpinisten war es schon immer ein erstrangiges Ziel, von Zermatt zum Gornergrat auf eine Höhe von 3089 Meter vorzudringen. Von diesem Punkt kann man 29 Viertausender sehen, den drittlängsten Gletscher der Alpen, den Gornergletscher und natürlich in ganzer Pracht das Matterhorn. Seit dem Jahr 1898 führt die damals erste elektrische Zahnradbahn der Schweiz von Zermatt - heute aus einer eigenen modernen Abfahrtshalle - hinauf zur Endstation auf ein weitläufiges Plateau.
Die knapp zehn Kilometer lange Zahnrad-Strecke absolviert man in einer guten halben Stunde. Dabei werden eindrucksvolle Brücken, Galerien und Tunnel durchfahren, idyllische Wälder, Alpwiesen und Steinschluchten passiert. Oben angekommen können die Besucher noch eine etwas erhöhte Aussichts-Plattform mit 3131 Metern erklimmen.
Klicken Sie wie gewohnt zur Vergrößerung auf die Fotos mit folgenden Bildunterschriften: Alte Holzhäuser in Zermatt - Auf dem Gornergrat - Matterhorn spiegelt sich im Riffelsee - Der Gletscher auf dem Gornergrat - Das Kulmhotel auf 3100 Meter Höhe
Ein Kennzeichen vom Gornergrat ist die silbrig glänzende Kuppel des Kulmhotels. Es steht schon seit 100 Jahren an dieser Stelle. Vor acht Jahren wurde das Haus grundlegend renoviert und ist mit 3100 Metern das höchst gelegene Hotel in den Schweizer Alpen. Das Doppelzimmer kostet schlappe 300 Franken pro Tag, der Zimmer-Blick auf das Matterhorn allerdings nur zehn Franken Aufschlag. Doch die Blick-Konkurrenz in die andere Richtung mit der Sicht auf die Monte Rosa-Gruppe ist auch faszinierend.
Viele Besucher wählen vom Gornergrat den Abstieg zur Station Riffelberg. Der Wanderer hat nicht allein die weite Bergwelt vor sich, sondern weiter unten entfaltet sich das Tal mit seinen winzigen weißen Häusern und kleinen blauen Seen. Und immer wieder neu setzt sich mit seinem Wolkenspiel das Matterhorn in Szene. Bei sonnigem Wetter kann man sich auf dem Weg zum Riffelberg von der weltbekannten Matterhorn-Spiegelung im Riffelsee begeistern lassen.
Glacier-Express im Herzen der Schweiz
Der Glacier-Express kann sicherlich als der König unter den Schweizer Berg-Bahnen angesehen werden und avancierte zum Zugpferd für den Tourismus. Er verkehrt in einer acht Stunden Bahnfahrt von Zermatt nach St. Moritz bzw. Davos durch die Kantone Graubünden, Wallis und Uri gewissermaßen im Herzen der Schweiz.
Die Tour inmitten der Hochalpen wird durch die zwei Bahngesellschaften Rhätische Bahn und Matterhorn Gotthard Bahn betrieben.
Ich habe mich mit André Brugger von der Rhätischen Bahn (im Bild links), dem Marketingchef für Deutschland, verabredet, der unterwegs auf dem Bahnhof Brig zusteigt. Er hat seine Ausbildung im Betriebsdienst absolviert, ist von der Pike auf Eisenbahner und wie die allermeisten Schweizer ein Bahn-Fan.
„In Deutschland ist der Glacier-Express als Panorama-Zug sehr bekannt“, betont Brugger.“ Es ist eine Marke, die kennt man einfach.“ Und obwohl er vor allem durch die Euro-Schwäche einen leichten Rückgang der Zahl der deutschen Fahrgäste registrieren müsse, wie auch für das Reiseland Schweiz insgesamt, sei der Anteil der Deutschen an den jährlich 220.000 Reisenden noch sehr groß. Das werde auch so bleiben, wenn der Glacier-Express im nächsten Jahr sein 125.Jubiläum feiert.
Zu den ganz wichtigen Einschnitten in der Historie der berühmten Bergbahn zählt die Eröffnung des Tunnels unter dem Furka-Pass im Jahr 1982. Bis dahin gab es nur einen Sommerfahrplan über vier Monate. Dank des Furka-Basis-Tunnels konnte der Glacier-Express ganzjährig verkehren.
Speisen mit Panoramablick
Ebenfalls in dieser Zeit wurden die ersten Panoramawagen im Zug eingestellt. Nunmehr seit sieben Jahren besteht der Express ausschließlich aus sechs großen Panoramawagen, der außerdem jeweils in der Mitte mit einem Küchenwagen ausgestattet ist. Das Konzept besteht darin, dass in jedem der Panorama-Wagen mit ausklappbaren Tischen bequem ein Mittagessen serviert werden kann. Niemand muss mehr in den Speisewagen gehen und kann von seinem Platz die vielen Höhepunkte der vorbei ziehenden Landschaften betrachten.
Clever organisiert ist das Informationssystem im Express. Jeder Fahrgast hat kleine Kopfhörer und wird per Digitalanzeige und durch einen Signal-Ton aufmerksam gemacht, dass wieder eine Information zur Strecke gegeben wird. Der Fahrgast kann die Landschaft aber auch ohne Texte genießen und wenn er möchte, Musik hören.
Ab und an bremst der Glacier-Express und bleibt ganz stehen „Wir müssen einen Gegenzug abwarten und fahren gleich weiter!“ lautet die Durchsage des Zugbegleiters. Ein Teil der Strecke vom Express ist eingleisig.
Besonders aufmerksam sind die Fahrgäste auf der über 60 Kilometer langen Strecke von Thusis nach St. Moritz. Hier fährt der Express durch das spektakuläre Albula-Tal, dessen Strecke in das UNESCO-Weltkulturerbe aufgenommen wurde. Doch auch ansonsten wird der Fahrgast im Minuten-Takt mit wunderbaren Aussichten verwöhnt, beispielsweise von der imposanten Rhein-Schlucht oder den Bergseen auf dem 2033 Meter hohen Oberalp-Pass.
Eine Krux im Glacier-Expresse besteht darin, dass sich kein Fenster im Zug öffnen lässt und alle Fotos durch die Glas-Scheibe geschossen werden müssen. Künftig solle es in neu angeschafften Panorama-Wagen Lösungen geben, so Brugger von der Rhätischen Bahn, die erlauben, vereinzelt Fenster zu öffnen. Außerdem gebe es Überlegungen, Fensterglas einzusetzen, das das Fotografieren mit ganz wenigen Spiegelungen ermögliche. Dennoch wird von nahezu allen Fahrgästen mit allem, was klickt, fleißig fotografiert, ob mit kleinen oder großen Fotoapparaten, mit Handys, iPhone oder iPad.
Die Zugbegleiter sind die Gastgeber
Der anhaltende große Zuspruch für den Glacier-Express von Urlaubern aus Deutschland ist für Andrè Brugger kein Geheimnis. „Die deutschen Gäste lassen sich von dem Panorama-Feeling gefangen nehmen und sind angenehm überrascht, wenn das Zugpersonal lockere Erklärungen zur Strecke gibt, die Zugbegleiter als Gastgeber, das kommt gut an“, weiß Brugger.
Vor allem sei immer wieder die Einbettung der Bahnstrecke in die Natur beeindruckend, die Vielfalt der Eisenbahn-Architektur, zum Beispiel das faszinierende Landwasser-Viadukt bei Filisur, das in einen Tunnel übergeht. „Und wenn man Glück hat, sieht man einen Steinbock oder einen Hirsch und dann weiß der Fahrgast: hier lässt er die Zeit stehen.“
Der Glacierexpress ist wahrlich nicht berühmt durch seine Geschwindigkeit, sondern preist sich als der langsamste Schnellzug der Welt. Er braucht für die Strecke von Zermatt nach St. Moritz mehr als acht Stunden, die wie im Fluge vergehen. Die Entspannung wird auch kaum durch das Handy-Klingeln gestört. In den Bergen ist das Netz der mobilen Netzbetreiber nicht flächendeckend. Welche Wohltat. Wenn der Express in den Bahnhof von St. Moritz einfährt, verabschiedet sich der Zugbegleiter von jedem seiner Gäste. So wie es sich für einen guten Gastgeber gehört.
Text und Fotos: Ronald Keusch , September 2013
Anmerkung: Klicken Sie zur Vergrößerung aller Fotos im Beitrag auf selbige.