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Eine Reise durch zwei Städte der Franche Comtè - Teil 2
Die Stadt der Württemberger Montbèliard
Es gab in Europa auch Zeiten völlig unkriegerischer und gewaltloser deutscher Landnahme per Heiraten. Vier Jahrhunderte lang war die Stadt Montbèliard ein deutsches Fürstentum. Am Anfang stand im Jahr 1397 die Verlobung und damit das Eheversprechen der zehnjährigen Tochter des Grafen von Montbèliard, Henriette von Orbe mit dem damals neunjährigen Eberhard von Württemberg.
Schloss der Württemberger
Die Stadt wird sozusagen Zweitwohnsitz des deutschen Herzogs und geht nebenbei ins germanische Reich über. Aus der damaligen Zeit stammt auch der deutsche Name der Stadt Mömpelgard.
Ein Gasserl wie daheim in Stuttgart
„Das 16. Jahrhundert war für unsere Stadt ein goldenes Zeitalter“ ist sich Laurence Pluche vom Tourismusbüro Montbèliard sehr sicher. Wunderschöne Belege dafür liefert der wichtigste Baumeister der Stadt, der Architekt Heinrich Schickhardt aus Württemberg. Der Leonardo da Vinci aus dem Schwabenland, wie er gern von Fremdenführern besonders für süddeutsche Touristengruppen betitelt wird, lebte eine Zeit lang in der Stadt.
Im Auftrag des Prinzen Friedrich hat er die Reformationskirche Sankt Martin gebaut und auch neue Stadtviertel angelegt La Neuveville wie das Schloss- und das Markthallenviertel, in denen einige Gebäude von ihm selbst entworfen worden. In Montbèliard war eine protestantische Enklave entstanden, die vielen Hugenotten Zuflucht bot.
Die Stadt musste in den zwei Weltkriegen keine Kriegszerstörungen erleiden und kann deshalb den Besuchern authentische mittelalterliche Häusle und Gasserl aus dem Würtembergischen präsentieren, eben Charakteristisches von Schickhardt. Dazu zählen unterschiedliche Wendeltreppen, Wand- und Fenstergesims aus Stein und spezielle Fenster und Dachluken. Entdecker-Spürsinn ist bei den Besuchern schon gefragt, da die Stadt mit Hinweis- und Informationstafeln äußerst sparsam umgeht.
Aus der schmucken Altstadtstechen noch besonders die verschieden farbigen Fassaden hervor, die bei der Restaurierung von Häusern aus dem 18. und 19. Jahrhundert aufgetragen wurden. Wichtige Gebäude wie Schulen oder die Präfektur tragen rot, ansonsten können Bewohner und Eigentümer gemeinsam mit der Stadt selbst über Farbtöne entscheiden.
Wo die Herzöge von Württemberg wohnten
„Wer ins Mömpelgarder Land sehen will, der muss zu uns hoch auf das Schloss kommen“, sagt die Schlossherrin Aurèli Volz und hat recht damit. Das Schloss thront auf einem Felsen und überschaut die Stadt mit dem Kreuzungspunkt der Länder Frankreich, Deutschland und der Schweiz. Die frühere Heimstatt der Herzöge von Württemberg und Fürsten von Montbèliard ist in der Gegenwart eine Heimat für ganz unterschiedliche Prominente und Temperamente. Seit Jahrzehnten sind im historischen Gemäuer Museen eingerichtet. Im Bild oben: Wappen der Herzöge von Mömpelgard
Professor Cuvier aus Mömpelgard
So werden Exponate der Archäologie aus früheren Jahrhunderten und aus der Gegenwart präsentiert. In diesem Zusammenhang wird auch der einer breiten Öffentlichkeit nicht so bekannte Naturforscher George Cuvier in seiner Geburtsstadt ausgiebig gewürdigt. Mit seinen naturkundlichen Studien an Pflanzen und Tieren machte der spätere Professor aus Mömpelgard die vergleichende Anatomie zu einer Forschungsdisziplin. Schon damals konnte er die heute ganz unbestrittene Tatsache beweisen, dass katastrophale Ereignisse auf die Geschichte des Lebens und die Evolutionstheorie entscheidenden Einfluss hatten.
Bild oben: Im Naturkundemuseum
Moderne Kunst im Schloss
Die Direktorin Aurèli Volz ist Kunstgeschichtlerin und hat sich und das Schloss mit Ausstellungen auch der modernen Kunst verschrieben. Bis zum Januar 2015 stellt der bekannte Konzept- und Installationskünstler Sarkis aus Paris einhundert Foto-Porträts aus. Dabei lässt er bedeutende Persönlichkeiten des Pantheon, die die Geschichte Frankreichs prägten, auf anonyme Menschen aus Montbéliard treffen, die ihrerseits die Geschichte vor Ort bestimmt haben. Im Bild links: Moderne Kunst von Sarkis
Die Unterschriften der prominenten Schriftsteller, Wissenschaftler und weiterer Erfinder strahlen in neonblauem Licht und beleuchten die Porträts der in Vergessenheit geratenen Bürgern von Montbéliard. Eine beeindruckende Idee.
Spannende Historie -wenig Information
Natürlich gibt bei einem historischen Rundgang durch Gänge, Säle und die Küche des ehemaligen Sitzes der Herzöge von Württemberg auch Erinnerungsstücke aus der Familiengeschichte zu finden. So bewegte sich nicht nur die kleine Henriette, sondern drei Jahrhunderte später auch Prinzessin Sophie ein klein wenig in der Weltgeschichte. Sie wurde 1776 als Maria Fjodorowna Gattin des Zaren Paul I. von Russland. Bei so viel spannender Historie, vor allem zur Verbindung zwischen Frankreich und Deutschland, ist es für den deutschen Gast schon etwas enttäuschend, dazu in der Stadt wie auch im Schlossmuseum kaum Informationstafeln mit interessante Fakten zu finden.
Peugeot Abenteuer in Sochaux
Kreativ, verführerisch und auch rebellisch – das könnten auch drei Adjektive sein, die die Industrie-Geschichte der Familie Peugeot beschreiben. Sie begann bereits im 15. Jahrhundert mit dem Betrieb von Mühlen, setzte sich später fort mit einer Eisengießerei und Sägeblatt-Fabrik und mündete in einem riesigen Fahrzeugpark im 20. Jahrhundert. Im Jahr 1988 wurde das Museum unter dem Namen „Peugeot Abenteuer“ in Sochaux vor den Toren der Produktionsstätten wenige Kilometer südöstlich von Montbéliard eröffnet. In acht Zeit-Etappen, beginnend 1891, macht der Besucher eine Reise durch die Jahrhunderte. Er findet die Autos in Architektur und Dekor ihres Zeitalters. In den jeweiligen Abteilungen löst ein Bewegungsmelder zur Untermalung der Epoche Musik und Motorengeräusche aus. Knapp 100.000 Besucher begeben sich jährlich auf die Zeitreise.
Unverkennbar taucht überall der berühmte Löwe der Automarke Peugeot auf. Eines der Vorbilder lieferte auchdas Wappen der Franche-Comté. Doch das Markenlogo wie die Autos unterliegen dem Wandel. Vor 60 Jahren steht der Löwe noch Angst einflößend auf den Hinterbeinen und hebt die Tatzen. Heute wurde er von den Designern gezähmt, ist grafisch vereinfacht, gleichsam matt und glänzend, vielleicht ein Sinnbild der französischen Autoindustrie.
Deutsche Fahnen auf französischen Brücken
Das Städtchen Montbéliard mit seinen 26.000. Einwohnern ist keineswegs allein auf seine glanzvolle historische Vergangenheit fixiert, sondern will sich dem Zeitgeist, dem forschenden und unternehmerischen Geist stellen. So haben sich die Bürger der Stadt auf einem ehemaligen zehn Hektar großen Fabrikgelände, das malerisch auf einer Halbinsel liegt, den Wissenschaftspark Pres-la-Rose geschaffen. Hier wurde ein Wissenschafts-Pavillon errichtet, der mit kurzweiligen Ausstellungen, derzeit zur Antarktis, jung und alt, interaktiv und spielerisch mit Wissenswertem verführen will. Der Park präsentiert 100 verschiedenen Pflanzenarten und einen majestätischen Pappelhain sowie einen lebensgroßen Stegosaurus, Naturforscher Cuvier lässt grüßen.
Nahe dem Park führen zwei breite Brücken über den Fluss Doubs. Sie sind mit großen Fahnen geschmückt. Wenn der Wind aufkommt, sieht man ganz deutlich die an den Geländern befestigten Fahnenstangen mit dem Fahnentuch in den Farben Schwarz-Rot-Gold - in der französischen ehemals württembergischen Stadt Montbéliard / Mömpelgard.
Ronald Keusch, Juli 2014
Fotos: Tourism u. Schloss Montbèliard (2) , der Autor (3)
Anmerkung: Klicken Sie zur Vergrößerung aller Fotos im Beitrag auf selbige.
www.franche-comte.org
www.besancon-tourisme.com
www.besancon.fr/index.php?p=1328
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