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Claudia Virginia Vitari
Kunst ist für mich ein Medium, Unsichtbares sichtbar zu machen. Ich arbeite an Situationen, scheinbar Randerscheinungen, die jedoch unerlässlich sind für das Verständnis der Gesellschaft, in der wir leben.
Schon seit dem Studium an der Universität Burg Giebichenstein in Halle an der Saale habe ich meine künstlerische Recherche auf die Untersuchung des Verhältnisses zwischen dem Individuum und der Gesellschaft durch die Analyse menschlicher Gefühle in extremen oder sozial fernen Situationen fokussiert. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen bette ich ein in den Kontext verlassener bzw. alter, historischer Gebäuden, um ihnen eine umfassendere Wirkung zu geben.
Ich suche nach Lebensgeschichten, nach Persönlichkeiten, die am Rande unserer Gesellschaft stehen, und gebe ihnen eine Stimme. Im Laufe von Monaten, manchmal Jahren, sammle ich verschiedenartiges Material: Interviews, Zeichnungen, Mitschriften von Gesprächen, Zitate.
Alberto Giachino | Photography fuer die Zeitung "La Stampa" | Ausstellung "Le Città Invisibili" | Museo Regionale di Scienze Naturali, Torino |
Mein jeweiliges Thema beleuchte ich unter unterschiedlichen Gesichtspunkten, wobei an erster und zentraler Stelle der Dialog mit den Betroffenen selbst steht, ergänzt um das Hinzuziehen von Fachliteratur ebenso wie themenverwandter Filme und Belletristik. Dieses Vorgehen ist sehr wichtig für mein eigenes tiefer gehendes Verständnis sowie für die Schlagen einer Brücke zum Betrachter.
Anschließend dokumentiere ich die Geschichte jedes Einzelnen. Ich interviewe die Personen, bitte sie um eine Beschreibung ihrer selbst und beschreibe sie gleichzeitig durch Porträts. Der Schaffensprozess wird zu einem Kommunikationsmittel, um Einzelheiten zum Ausdruck zu bringen.
Das, woran sich die Menschen auf historischer, soziologischer und wissenschaftlicher Ebene normalerweise erinnern, ist eine bestimmte Art des Allgemeinwissens. Doch mein Anliegen ist es, über das Unsichtbare zu sprechen: Individuelle Erinnerungen und persönliche Lebenserfahrungen, die einer umfassenderen Geschichte unserer Gesellschaft angehören. Es geht dabei um Geschichten, die sich innerhalb unserer Städte verstecken. Es sind gleichzeitig Realitäten, die als Produkt der Gesellschaft, die wir selbst geschaffen haben, existieren.
Seit 2008 befasse ich mich mit dem Thema der “totalen Institutionen” frei nach dem Werk „Asylums“ von Erving Goffman. Darüber hinaus stellen Werke von Kafka, Foucault oder epische Werke wie des Gilgamesh-Epos Inspirationsquellen für mich dar. Meine ersten eigenen Arbeiten zu diesem Thema (MELANCHOLIE und PERCORSOGALERA) behandeln institutionelle Strukturen, wie beispielsweise das psychiatrische Krankenhaus in Halle an der Saale in Deutschland und die landesgerichtliche Strafanstalt “Lorusso e Cotugno” in Turin.
Das Projekt “Die unsichtbaren Städte” (2012) wurde realisiert in Zusammenarbeit von Radio Nikosia. Eine nicht-institutionelle Realität, in der jedoch das Thema der Institution und der psychiatrischen Diagnose allgegenwärtig ist. Alle Mitarbeiter von Radio Nikosia kennen das Leben in „totalen Institutionen“ aus eigener Erfahrung. Sie organisieren und gestalten den Radiosender und können durch diese Tätigkeit ihre Identität zeigen.
Zur Zeit arbeite ich mit geflüchtete Menschen in Berlin. Der erste Teil der Arbeit wurde realisiert in Kollaboration mit afrikanischen Flüchtlingen am Oranienplatz in Berlin. Für diesem Projekt, experimentiere ich mit der Technik des Rollup mit Glas. Ich plane eine Kunstinstallation, in der verschiedenen Glaskugeln miteinander verbunden sein werden um die komplexe Geschichte einzelnen Menschen zu beschreiben. Meine Arbeit wird dadurch eine grafische Dokumentation über die hoch aktuelle politische Debatte.
Technisch gesehen finde ich die Kombination aus Zeichnung, Bildhauerei und Installation sehr reizvoll. Sie ermöglicht eine Vielfalt von Stimmungen, Tönen sowie zwei- und dreidimensionalen Elementen. Das Porträt ist ein wunderbares und einzigartiges Kommunikationsmittel, so dass fast jeder Mitarbeiter bereit ist, am Projekt teilzunehmen. Ich verarbeite durchsichtige Materialien wie Harz oder Glas und benutze grafische Techniken wie Siebdruck, geschachtelt in Strukturen aus Eisen. Die Transparenz verleiht der Installation die Funktion einer Linse: In den kristallisierten Lebensgeschichten ist die Realität zu sehen. Harz und Glas sind flüssige diaphane Materialien, die sich von Eisen stark unterscheiden. Das Eisen als unbeugsames und kaltes Element ist eine Metapher für die starren Strukturen der Einrichtungen. Ein Riss oder ein Bruch im Glas oder Harz stellen eine freie Bewegung oder den Versuch eines Ausbruchs dar. Die zerfließenden und zum Teil deformierten Zeichnun- gen und Texte bieten die Möglichkeit, eine andere Perspektive einzunehmen. Darüber hinaus erinnern die Blasen an einen Atemzug, an etwas Lebendiges und in der Entstehung Begrif- fenes. Die irreführende Klassifizierung der Menschen wird durch die natürliche Zufälligkeit des künstlichen Ausdrucks abgelöst.
So entsteht eine behutsame Betrachtung über den Einzelnen und die Gesellschaft, über das Verhältnis zwischen Gesellschaft und Institution, über die Psychologie selbst aus der Sicht der Betroffenen.
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