Bassano del Grappa



Ein Obstschnaps macht Karriere



In Italien ist der schöne alte Brauch, zur Mitte eines umfangreichen Festmahls ein Gläschen Grappa zu reichen, etwas in Vergessenheit geraten. Schade! Dabei fördert der Traubengeist als echter Freund des Menschen die schnelle Verdauung. Versetzt den Tischgast aufs Neue in die Lage, sich problemlos weiterer Gaumenfreuden hinzugeben.





Stadtbilder von Bassano del Grappa



Natürlich bedarf es keines Festmahls, einen Grappa zu trinken. Um daraus jedoch im Alltag ein Vergnügen zu machen, sollte man stets darauf achten, dass junge und liebliche Grappe eine Temperatur von 8 bis 10 C° bevorzugen, alte Grappe hingegen ihre volle Pracht erst bei 16 bis 18 Grad entfalten.

Doch Vorsicht, bei unseren in der Regel überhitzten Räumen erwärmt sich der Grappa (oder wie es richtig heißt die Grappa) vom Einschenken bis zu dem Zeitpunkt, da er getrunken wird, wieder um ein paar Grad. Das wirkt sich negativ auf den Geschmack des Tresterbranntweins aus. Und genau das ist Grappa nämlich, eine Spirituose, die aus Trester gewonnen wird, jenem Rückstand aus gepressten Stielen und Traubenschalen, der beim Weinkeltern übrig bleibt. Je edler die gekelterte Traube (bzw. deren Reste), desto besser der Geschmack des Destillats. Langsam aber sicher wurde im Laufe der Jahre durch gekonnte Kelterei aus dem „Schnaps der armen Leute“ ein Edelgetränk.


Erfunden wurde das Abfallprodukt der Weinherstellung angeblich in Bassano del Grappa, einer kleinen Stadt in der Nähe von Vicenza. Nur leider bezieht sich der Namenszusatz del Grappa nicht auf den Schnaps, sondern auf den Monte Grappa, den Berg, zu dessen Füßen die schöne Stadt am Flusse Brenta liegt.





Bildunterschriften: 1. Die im 16. Jahrhundert erbaute Ponte Vecchio (Alte Brücke) findet mit ihrer toskanischen Holzkolonnade viele Bewunderer. 2. Das Eingangstor zur Alten Brücke ist ein beliebter Treffpunkt der Einheimischen und ein geschätztes Fotomotiv aller ausländischen Besucher der Grappa-Stadt.



Zwar ist belegt, dass seit mindestens 1779 Grappa in Grappa hergestellt wird, die erste Erwähnung des „Bauernschnapses“ aber stammt aus dem Jahre 1451. Damals hinterließ ein Notar aus Piemont seine Destillationsanlage samt großer Mengen Selbstgebrannten den lieben Verwandten.

Wahrheit hin, Legende her, Bassano kann gut mit dem Ruf als Grappa-Erfinder leben. Gönnen also auch wir der Familie Nardini, die 1779 die erste Destillerie in Bassano gründete, den Ruhm als Erstentdecker.





Die Brennerei der Nardinis hatte von Anfang an ihren Standort im inneren Brückenkopf der Ponte Vecchio, der berühmten hölzernen Brücke über die Brenta, die seit jeher Wahrzeichen der Stadt ist. Sie hat noch heute die Gestalt, die ihr 1569 der Architekt Andrea Palladio (1508-1580) gab, dessen 500. Geburtstag 2008 gefeiert wurde. Kaum ein anderer Baumeister hat jemals solch tiefe Spuren hinterlassen, so zahlreiche fantasievolle Nachahmer gefunden.

Viele der prächtigen Villen und Paläste, die sich der Adel im 16. Jahrhundert auf dem Lande hat bauen lassen, sind von Palladio inspiriert. 23 hat er selber entworfen, 16 davon stehen in der Provinz Vicenza und gehören zum Weltkulturerbe.





Im Museum von Vicenza



Ein Höhepunkt seines Schaffens ist ohne Zweifel die Villa „Rotonda“ am Stadtrand von Vicenza, allein die Verbindung von Kreisen und Quadraten in der Architektur ist einzigartig und faszinierend. „Vielleicht hat die Baukunst ihren Luxus nie höher getrieben“, notierte Goethe auf seiner Italienreise. Doch zurück nach Bassano del Grappa.





Die Villa Rotonda



Dort beauftragten 1569 die Bürger der Stadt Andrea Palladio damit, ihnen eine neue Brücke über die Brenta zu bauen. Die alte aus Stein hatte gerade einmal sechs Jahre gehalten, dann wurde sie von einem gewaltigen Hochwasser hinweg gespült. Das war der Grund, warum die Bürger einen ersten Entwurf aus Stein verwarfen. Stein sei einfach zu starr, meinten sie, es mit dem Fluss aufzunehmen.

Also entwarf Palladio eine Brücke aus elastischem Holz. Mit vier trapezförmigen Stützpfeilern, die der Stromrichtung des Flusses angepasst waren. Darauf legte er eine Balkenlage und verschönerte das Gerüst mit einer toskanischen Kolonnade zum Stützen des Daches. Stabil und edel. So steht die Brücke noch heute da. Allerdings musste sie zwei Mal in ihrem Leben neu erbaut werden. Das erste Mal nach 200 Jahren, das zweite Mal wurde sie ein Opfer des 2. Weltkrieges. Deutsche Soldaten zerstörten das Wahrzeichen Bassanos. Beide Male wurde sie nach Originalunterlagen wieder aufgebaut.

Seither steht die Ponte Vecchio (Alte Brücke), und kündet vom Ruhm des weltberühmten Architekten Andrea Palladio.




Und natürlich gehört es sich, ein Gläschen Grappa in der Probierstube der Brennerei Nardini auf den großen Meister zu trinken. Die Grapperia befindet sich am Anfang der Alten Brücke. Nirgendwo schmeckt das Edelgetränk besser als an diesem historischen Ort, der geprägt ist durch zwei geistige Größen, Grappa und Palladio.



Reise-Infos:
Italienische Zentrale für Tourismus ENIT, Neue Mainzer Straße 26, 60311 Frankfurt am Main; Tel.: 069/237069, Fax: 069/232894; E-Mail: enit.ffm@t-online.de



Autor und Fotos: Bernd Siegmund, 2013

Anmerkung: Klicken Sie zur Vergrößerung aller Fotos im Beitrag auf selbige.



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